Felipa Herrmann
4645 Fernziel Olympia

Der Blick ist unverbaut. Wenn Felipa Herrmann aus dem Fenster ihres Zimmers schaut, kann sie die Schwimmhalle sehen, in der sie wöchentlich mehrere Stunden verbringt. „Das motiviert mich. Es ist schön, andere Athleten schwimmen zu sehen“, sagt die 16-Jährige. Sie gehört zu den besten Nachwuchstriathlet*innen Deutschlands und ist im Nachwuchskader der Deutschen Triathlon Union (DTU). Auch der Sportplatz ist nur einen Fußmarsch entfernt. „Da die Wege sehr kurz sind, habe ich mehr Zeit für das Training. Wenn ich noch zu Hause wohnen würde, wäre es viel schwieriger.“

Das ist nur einer von vielen Gründen, warum Felipa im Alter von nur 13 Jahren von ihrem Heimatort Stolberg ins Sport- und Tanzinternat nach Essen gezogen ist. Dass sie diesen Weg eingeschlagen hat, ist durchaus bemerkenswert, im Prinzip sei es aber „eigentlich nur logisch“ gewesen, „weil ich schon immer sehr selbstständig war und mich gut in Gruppen integrieren kann“. Das wichtigste Argument für den Umzug war, „dass ich dort die besten Trainingsmöglichkeiten vorgefunden habe“. In Essen befindet sich der Landesstützpunkt Triathlon, jede Einheit wird vom Landes- oder Stützpunkttrainer begleitet. Das sei schon etwas ganz Besonderes. „Vorher hatte ich keinen festen Triathlon-Trainer“, sagt Felipa, die schon sehr früh sehr diszipliniert und engagiert ihrer Sportart nachgegangen ist.

„Die hohe Trainingsfrequenz fällt einem hier leichter, weil alle sehr fokussiert sind.“

Nicht nur Papa wird abgehängt

Beim Stolberger SV hat sie das Schwimmen gelernt, im zarten Alter von vier Jahren, später hat sie sich auch der Leichtathletik-Gemeinschaft Stolberg angeschlossen. Und so wurde der Schwerpunkt dann irgendwann fast zwangsläufig in Richtung Triathlon verschoben. „Das hat sich so ergeben, zumal meine Eltern auch Triathleten sind.“ Felipa startet in normalen Zeiten für den Brander SV, zusätzlich hat sie noch ein Zweitstartrecht für die Bundesliga. Pandemiebedingt ist sie für das Kölner Triathlon-Team 01 zwar erst einmal ins Wasser, auf das Fahrrad und die Laufstrecke gegangen. Aber das überaus erfolgreich: Beim Wettkampf in Saarbrücken Mitte September landete sie – als 15-Jährige in einem Feld mit deutschen und ausländischen Topathlet*innen – auf Rang zehn und überraschte damit die Konkurrenz.

Ihre rasante Entwicklung hat ihr eine Einladung zu einem DTU-Lehrgang eingebracht, im Bundesleistungszentrum für Spitzensportler in Kienbaum trainierte sie im Februar schon zum zweiten Mal mit Bundestrainer Thomas Möller und 18 weiteren Triathlon-Talenten. „Die Tage waren sehr abwechslungsreich – und abends ist man dann glücklich, aber erschöpft ins Bett gefallen.“

Bis zu 20 Stunden Training pro Woche

Die Schwimm- und Laufspezialistin ist froh, dass sie ihrer Leidenschaft auch während der Lockdowns nachgehen kann und nicht in ihrer Entwicklung ausgebremst wird, „auch wenn mir die Wettkämpfe natürlich fehlen“.

Beim ersten Lockdown sei die Situation ein bisschen spezieller gewesen, „damals sind wir mit einem Zugseil in einem Pool geschwommen“. Zwischen 14 und 20 Stunden trainiert sie wöchentlich. Sogar am Wochenende, wenn sie bei ihren Eltern ist, wird keine Trainingspause eingelegt, mit ihrem Vater ist sie regelmäßig auf dem Rad unterwegs. „Mittlerweile muss sich mein Vater allerdings schon anstrengen, damit ich ihn nicht abhänge“, sagt sie und lacht. Auch die kleine Schwester, die dem NRW-Kader Triathlon angehört, zählt zu ihren Trainingspartnern.

Felipa Herrmann laufend

Das Internat schweißt zusammen

Felipa besucht das benachbarte Helmholtz-Gymnasium in Essen, eine Eliteschule des Sports. Die hohe Trainingsfrequenz stört die angehende Abiturientin nicht, „auch wenn ich natürlich weniger Freizeit als normale Teenager habe. Aber es fällt einem hier leichter, weil alle sehr fokussiert sind.“ Ohnehin hat sie das Leben im Vollzeitinternat kennen und schätzen gelernt, und das ging ziemlich schnell. „Das Gemeinschaftsgefühl ist toll. Viele haben das gleiche Ziel, obwohl sich die Sportarten unterscheiden. Das schweißt zusammen und es entstehen häufig gute Freundschaften.“

Nahziele sind in diesen merkwürdigen Zeiten schwierig, ein Fernziel hat Felipa dann aber doch. „Ich will irgendwann gerne mal zu den Olympischen Spielen. Aber das ist ein großes Ziel und steht ganz am Ende eines weiten Weges.“ Finanzielle Hilfe erhält sie von regionalen Unterstützern sowie von der Sportstiftung NRW, die mit dem Förderbaustein „Internat“ Felipas monatliche Kosten deutlich und zuverlässig in Grenzen hält. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt die 16-Jährige.

Felipa Herrmann sicherte sich 2020 Platz eins beim dezentralen Swim & Run der Zweiten Liga. Sie gewann das Junioren-Rennen bei den Arena Games der Superleague in Rotterdam. 2019 hatte Felipa mehrere Ausrufezeichen gesetzt: Sie wurde in ihrer Altersklasse NRW-Meisterin Swim & Run und im Triathlon. Sie durfte sich Deutsche Vizemeisterin und Deutsche Mannschaftsmeisterin nennen und beendete den DTU-Gesamtcup Triathlon auf Platz zwei.

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