Zwillingskarriere
7601 Was machen eigentlich Yvonne und Philipp?

Badmintonspielerin & Leichtathlet
Praktikanten bei Evonik in Essen

Yvonne Li hat während ihrer Zeit bei Evonik ihren dritten deutschen Meistertitel im Einzel eingefahren. Kurz zuvor war sie als Teil des deutschen Olympiakaders nach Tokio gereist. „Das war eine fantastische Erfahrung und ich arbeite jetzt schon auf eine Teilnahme im Jahr 2024 hin“, sagt Yvonne.

Parallel zu ihrer sportlichen Karriere studiert sie Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Duisburg-Essen. Zusätzlich arbeitet Yvonne in ihren Turnierpausen bei Evonik. Dies läuft über die Sportstiftung NRW, die es Leistungssportlern ermöglicht, ihren Sport zu verfolgen und gleichzeitig Praxiserfahrung in Unternehmen zu sammeln. So lassen sich Training, Wettkämpfe und weitere berufliche Ziele miteinander verbinden.

Yvonne ist viel zum Zug gekommen

Yvonne nutzte die Möglichkeit, Evonik im Sommer kennenzulernen und absolvierte den ersten Teil ihres mehrwöchigen Praktikums im Brainpool bei Technology & Infrastructure. Der Brainpool ist der Praktikanten-Pool des Technischen Service, der gemeinsam an unterschiedlichen Fragestellungen arbeitet. Yvonnes Team organisierte ein TechTalk-Event zum Thema „Industrie 4.0“.

Beim ersten Kennenlernen ihrer Kollegen war Yvonne aus dem Olympischen Dorf in Tokio zugeschaltet. Der durchgetaktete, enge Zeitplan der Leistungssportlerin macht vorausschauende Planung unerlässlich. Yvonne ist auf die Flexibilität des Unternehmens angewiesen. „Nach meinem Praktikum war ich zum Beispiel drei Monate nonstop auf Turnieren unterwegs“, erzählt die Badmintonspielerin. „Im Brainpool sind sich alle auf Augenhöhe begegnet – das hat mir sehr gut gefallen. Als Praktikantin ist man viel zum Zug gekommen“, sagt sie. Nach den Weltmeisterschaften im Sommer 2022 will Yvonne ihr Praktikum fortsetzen. „Alle waren daran sehr interessiert, haben sich direkt gekümmert und mir eine Kooperation bei meiner Bachelorarbeit in Aussicht gestellt.“

Philipp weiß jetzt, wohin die Reise geht

Philipp Trutenat übernahm im Herbst den Staffelstab von Yvonne. Darin ist der Sprinter vom TV Wattenscheid geübt. Philipp studiert Maschinenbau an der Ruhr-Universität und kam ebenfalls über die Sportstiftung zu seinem Praktikumsplatz im Brainpool. Wie Yvonne arbeitete er tagsüber und trainierte abends mehrere Stunden, während die anderen Praktikanten längst Feierabend hatten. Die kurzen Wege vom Konzern zur Leichtathletikhalle kamen ihm entgegen. Von „anstrengenden dreieinhalb Monaten“, berichtet Philipp, die er aber „spannend und sehr positiv“ bewertet. „Ich kann ein gewisses Stresslevel vielleicht besser abhaben als andere. Im Sport arbeiten wir ständig auf Deadlines hin.“

Mit seinen Resultaten aus der Hallensaison ist Philipp zwar nicht zufrieden. Dafür hat die einkalkulierte Doppelbelastung etwas anderes dauerhaft Wertvolles eingebracht: „Anfangs wusste auch ich nicht, wohin die Reise für mich beruflich geht. Das Praktikum war ein gutes Sprungbrett.“ Auch Philipp hat ein Angebot, seine Bachelorarbeit bei Evonik zu schreiben. Zu den Olympischen Spielen nach Paris will der deutsche Rekordhalter mit der 4×100-Meter-Staffel danach ebenfalls.

„Stress? Im Sport arbeiten wir ständig auf Deadlines hin.“
Philipp Trutenat, Leichtathlet

Steckbrief Yvonne Li

Badmintonspielerin (Einzel), Jg. 1998, aus Mülheim an der Ruhr
Studentin Wirtschaftsingenieurwesen

Erfolge:
2021 15. Platz Olympische Spiele
2021 9. Platz WM (Team)
2021 10. Platz EM (Team), 5. Platz (Einzel)
2018–2020 2. Platz EM (Team)
2018–2020 1. Platz DM (Einzel), 2020 (Doppel)

Steckbrief Philipp Trutenat

Leichtathlet (Sprint), Jg. 1996, aus Dinslaken
Student Maschinenbau

Erfolge:
2020 2. Platz DM (Halle), 4×200-m-Staffel
2019 2. Platz DM (Halle), 4×200-m-Staffel
2019 1. Platz EM U23, 4×100-m-Staffel
2018 1. Platz DM, 4×100-m-Staffel

Philipp Trutenat, Sprinter des TV Wattenscheid

Yvonne Li, Badmintonspielerin Categories: Story Schlagwörter: , , , | Comments 7483 Was macht eigentlich Luisa?

Ruderin, Praktikantin bei KPMG

Der Morgen graut am Mittag. Da sie eh schon wach sei, tippt Luisa in den Chat, könnten wir mit dem Interview direkt loslegen. An Amerikas Ostküste ist jetzt Frühstückszeit. Nordrhein-Westfalen ist sechs Stunden, also eine Mahlzeit, voraus. Erst spät, vor dem Zubettgehen, war die Interviewanfrage bei der Studentin eingetroffen. Aber bei Luisa geht es zackig.

„Du siehst Arbeit vor dir, dann nimmst du sie an“, verteidigt die 27-Jährige ihren Workflow. Diese Einstellung habe sie Zuhause vorgelebt bekommen. Weihnachten, Ostern, Erster Mai – im Gastronomiebetrieb der Familie Neerschulte aus dem emsländischen Lingen wurde immer gearbeitet. „Ich kenne meine Eltern nicht auf der Couch sitzend“, erzählt Luisa. Im Alter von zwölf Jahren hilft die Tochter bereits mit, Getränke auszuschenken. „Man musste sich als Kind auch mal Sachen verdienen. Es gab nicht alles geschenkt“, sagt die Ruderin vom ETUF Essen e. V. „Heute bin ich für diese Erziehung dankbar.“

Stipendium für prestigeträchtiges Ruderer

Nach Manhattan braucht Luisa eine knappe Autostunde über den Highway 95. Seit Anfang 2020 lebt sie so dicht am weltberühmten Geschäfts- und Finanzzentrum. Im angrenzenden US-Bundesstaat New Jersey befindet sich die Rutgers University, an der Luisa Betriebswirtschaftslehre studiert. Ein Sportlerstipendium deckt ihre Studienkosten vollständig. Ein US-Coach hatte ihr das Stipendium angeboten, die Bewerbung war dann Formsache. Amerikanische Colleges stehen in einem Rekrutierungswettbewerb um die besten Athletinnen und Athleten weltweit. Rudern ist dort eine der ältesten und prestigeträchtigsten Sportarten. Zum ersten Mal wurde Luisa nach dem Abitur über die sozialen Medien angeschrieben, ob sie sich nicht für ein „Scholarship“ bewerben wolle. Damals winkte sie ab.

„Ergo 1“ im Pumakäfig erkämpft

Als sie mit dem deutschen Team 2019 beim Windermere Cup in Seattle startet, flammt das Interesse neu auf. „Rudern“, erklärt Luisa, „genießt in den USA viel größere Wertschätzung. Alle sind positiv eingestellt und die Athleten feuern sich bei jedem Training gegenseitig an.“ Stipendiatin Luisa ist für den Achter ihrer Uni, die „Scarlet Knights“, startberechtigt und eine Leistungsträgerin. Rund 80 Ruderinnen kämpfen bei den Ergometer-Wettkämpfen dicht aneinandergereiht um die Plätze im Boot. „Im Sportcenter herrscht eine Luft wie im Pumakäfig“, erzählt die Studentin. Nur „Ergo 1“ steht direkt neben dem Ventilator. Es ist Luisas Platz. Sie fährt Workout für Workout die schnellsten Zeiten.

Es falle ihr hier leichter, in beiden Bereichen gut zu sein, erklärt die deutsche Studentin. Leistungssport und Studium seien besser aufeinander abgestimmt, die Dozenten kulanter. Die Noten setzen sich aus mehreren, kleineren Aufgaben zusammen, fast wie in der Schule. Luisas Notenschnitt beträgt 3,96. Im deutschen Zensursystem liegt sie umgerechnet bei 1,05 „Ich stelle hohe Ansprüche an mich“, sagt sie.

Luisa sucht die extreme Erfahrung

Die Coronapolitik der Regierung Donald Trumps zwingt Luisa kurz nach ihrer Ankunft in den USA wieder zur Heimkehr. Das Studium muss sie im Onlinemodus fortsetzen. Den ungeplanten Aufenthalt in Deutschland will sie dennoch optimal nutzen. Für die Semesterferien guckt sich Luisa ein dreimonatiges Praktikum bei KPMG aus. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen ist Partner der Sportstiftung NRW. Über die Zwillingskarriere können Sportler dort während ihrer Karriere Berufserfahrung sammeln. „Wer dieses Angebot nicht annimmt, der ist selber schuld, findet Luisa. „Es ist von der Sportstiftung super organisiert und öffnet Sportlern, die hart arbeiten, jegliche Türen.“

Luisa arbeitet bei KPMG in der Abteilung „Gobal Transfer Pricing“ in Vollzeit. Parallel trainierte sie im Heimatort Lingen und belegte drei Sommerkurse an ihrer Uni: „Das war hart, weil die Kurse nach deutscher Zeit vorwiegend nachts stattfanden. Aber ich wollte diese extreme Erfahrung trotzdem machen. Deshalb habe ich auch bei KPMG immer wieder nach Aufgaben gefragt.“ Das Unternehmen lässt Luisa freie Hand, ihre Trainings- und Arbeitszeiten zu koordinieren.

Höchste Auszeichung für die deutsche Studentin

Durch die Corona-Pandemie wurden 2020 alle Wettkämpfe abgesagt. Die Rutgers University bot Luisa deshalb an, ihre Startberechtigung um ein Jahr zu verlängern. Der Coach musste sie nicht lange bitten. Mit Zugpferd Luisa gelingt dem Uni-Achter die Qualifikation für die US-Meisterschaften, wo das Team einen achtbaren fünften Platz erzielt. Luisa erhält die höchste persönliche Auszeichnung, den „All American – 1st Team“. Zudem ehrt die Universität sie mit dem „CRCA Student-Athlete Award“ für sehr gute sportliche und akademische Leistungen. „Hier war ich tatsächlich die einzige Nichtmuttersprachlerin, die das Glück hatte, diese Auszeichnung zu bekommen“, sagt Luisa.

Mit Master in den Anschlussjob

„Für mich hat es sich gelohnt, immer wieder mal ein bisschen mehr zu machen, als ich musste.“ Im Mai 2022 wird die Ruderin mit ihrem zweiten Masterabschluss nach Nordrhein-Westfalen zurückkehren. Sie hat gezeigt, dass ein Praktikum mit dem Leistungstraining vereinbar ist. Wer das Gegenteil behauptet, erntet ihr Unverständnis. „Das eine Praktikum hilft dir doch, das nächste zu bekommen. Warum sollte mich ein Unternehmen nach dem Studium ohne jegliche Praxiserfahrung von der Straße holen?“, argumentiert sie.

Diese Sorge ist Luisa los. Ihr Praktikum hatte Folgen. Im Herbst tritt Luisa bei KMPG in Düsseldorf eine 60-Prozent-Stelle an. Ein Tag Büro, zwei Tage Homeoffice – daneben bleibt genug Zeit, die sie mit ihrem NRW-Trainerteam am Essener Baldeneysee verbringen kann. Das, betont Luisa, sei übrigens mindestens genauso gut wie in den USA. „Ergo 1“ macht eine Kampfansage in Richtung Olympische Spiele in Paris. Ganz nach dem Motto: Du siehst Arbeit vor dir, dann nimmst du sie mit.

„Stress? Im Sport arbeiten wir ständig auf Deadlines hin.“
Philipp Trutenat, Leichtathlet

Steckbrief Luisa Neerschulte

Ruderin (Zweier), Jg. 1994, aus Lingen
Studentin Economics/Labour Management/HR

Erfolge:
2021 1. Platz DM (Großboot) im Doppelzweier, Doppelvierer und Mixed-Achter
2019 6. Platz Weltcup Finale C, (W2-)

Luisa Neerschulte rudert für ETUF Essen und für die Rutgers University in den USA

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