NRW-Newcomerin 2018

Sei ein Frosch!

Zoe Jakob ist Stabhochspringerin, Kanutin und Gewinnerin des Newcomer Awards 2018 bei der Wahl der NRW-Sportler des Jahres. So tickt das Ausnahmetalent.

25.07.2019 | Sebastian Burg
Zoe Jakob im Kanu im Schwimmbecken

Häschen ist die Größte. Vögelchen die Mittlere. Fröschchen ist das jüngste Mitglied im Kosenamen-Zoo der Familie Jakob aus Schwerte. Die liebevollen Necknamen von Mutter Martina tragen die Schwestern seit ihrer Geburt. Als Erste erblickte Alena an Ostern das Licht der Welt. Die Verbindung zu Meister Lampe lag nah. Dann war Elisa im Anflug. Das passendste Tier erwischte jedoch Nesthäkchen Zoe. 

Er ist schwarzblau, mit Glitzer überzogen und immer dabei. Der kleine Frosch auf Zoes Boot und an der Kette um ihren Hals ist „mein Powertier“, sagt die 19-Jährige. „Er ist schnell im Wasser und kann gut springen.“ Das passe einfach zu ihr. Zoe Jakob fährt Kanuslalom in der Juniorennationalmannschaft (U23) und gehört zum U20-Auswahlteam im Stabhochsprung. Die Schnittstelle beider Sportarten tendiert gen null. 

Beim den FELIX Awards 2018 gewinnt Zoe die Publikumswahl und wird NRW-Newcomerin des Jahres. Fast zeitgleich rückt Zoe ins Perspektivteam der Sportstiftung NRW. Das Multitalent bekommt die maximale Unterstützung aus den Töpfen der Individualförderung. Die Voraussetzungen für den Übergang in den Erwachsenenbereich – oft ein Knackpunkt – sind optimal. 

Nur mit Spaß zur Weltspitze

Wie gelingen Spitzenleistungen auf so grundverschiedenen Bühnen? Zoes Antwort sind zwei Formeln:  Erfolge machen Spaß und Spaß macht Erfolge. Je mehr Leute zuschauen desto besser. Punkt. „Wer zu dogmatisch denkt und handelt, hat keinen Spaß im Leben“, sagt Zoe. Und: „Ja, ich will zur Weltspitze, aber meinen Weg gehen. Mit ‚ich muss‘ verpasst man viel.“ 

Der Zoe-Weg folgt Leitlinien wie dieser: Vor einem Rennen fahren Kanuten in der Regel Sprints zur Vorbereitung auf die Wettkampfsituation. Zoe nicht. „Ich fahre keine Vorbelastung. Danach bin ich zu erschöpft.“ Bei Kritikern könnte das einen unprofessionellen Eindruck hinterlassen. Zoe sagt: „Ich werde das nicht ändern. Ich bleibe mir treu. Ich finde es wichtig, als Sportlerin meinen eigenen Kopf zu haben. Das heißt aber nicht, dass ich mich Neuem verschließe.“ Mit ihren Erfolgen lässt sie Misstöne verstummen. 

Zoe liefert ab, wenn es darauf ankommt. Unmittelbar vor einem Wettkampf sei ihre Tochter allerdings kaum zu ertragen, erzählt Mutter Martina. Zoe löchert ihre Trainer mit hunderten „Was wäre wenn?“-Fragen. „Ich dreh‘ am Rad. Aber man muss mich in dieser Phase einfach reden lassen“, meint die Sportlerin. Im Boot oder mit dem Stab in den Händen sei die Nervosität dann rasch verflogen. 

Zoe, die Rampensau, blüht vor großer Kulisse auf. Beim Finale der Junioren-WM 2017 in Bratislava jubeln ihr 1.000 Menschen zu. Die Wildwasserstrecke in der Slowakei zählt zu den anspruchsvollsten in Europa. Zoe wird Sechste im Einzel und gewinnt Gold mit dem Team. Bei der Junioren-EM auf ihrer Heimstrecke in Hagen-Hohenlimburg holt sie Doppel-Silber. „Unsere Kanu-Gemeinschaft ist toll, die ganze Mannschaft feuert einen an. Ich fühle mich da sehr wohl.“ Bei einem Leichtathletik-Meeting 2018 in Dortmund herrscht ebenfalls „Bombenstimmung“ in der Arena. Die Atmosphäre trägt. Zoe überspringt 3,65 Meter. Abgeliefert. 

Limbo im Wildwasser

2019 wird Zoe im Canadier Dritte bei den Deutschen Kanuslalom-Meisterschaften. Der Canadier wird kniend mit einem Stechpaddel gefahren, das Kajak im Sitzen, angetrieben mit einem Doppelpaddel. Zoe beherrscht beides. „Sie kann das Wasser fühlen. Das ist ihr besonderes Talent“, sagt ihre Mutter. Die Bewegungen wirken elegant. Zoe scheint nicht zu schuften, wenn ihr Paddel durch die Strömung pflügt. Stabil zirkelt ihr Oberkörper um die Slalomstangen, die 20 Zentimeter senkrecht über den Wellen baumeln. Berühren verboten – Kanuslalom ist Limbo vertikal im Chaos des Wildwasserkanals. Es braucht natürlich auch Kraft, um ein 2.500 Euro teures und knapp neun Kilogramm schweres Kajak entgegen der Fließrichtung zu manövrieren. So mühelos wie es von außen wirkt, ist es nicht. „Auf halber Strecke brauche ich ein Sauerstoffzelt“, bestätigt Zoe scherzend. 

Im Chaos lebt das Genie

Der Stabhochsprung ist technisch noch anspruchsvoller. Zoes Bestleistung steht bei 4,10 Metern Höhe, rund einen Meter unter Weltrekord. „Ich stehe noch ganz am Anfang meiner Entwicklung. In dieser Disziplin kann es aber so schnell gehen“, sagt die Athletin. Sie weiß, gute Stabhochspringer reifen in der Regel lange: „Als nächstes muss ich meinen Anlaufsprint drastisch verbessern.“ 2019 ist Zoe drittbeste U23-Springerin in Deutschland. 

Freizeit ist langweilig. Zoe ist Frühaufsteherin. Ihr Zimmer hat eine große Fensterfront. „Ich mag es, vom ersten Tageslicht geweckt zu werden.“ An den petrolfarbenen Wänden hängen zahlreiche Urkunden, Ehrennadeln und das ausrangierte Paddel. Selten sind auch Fußboden und Schränke derart aufgeräumt. Viele Tage im Jahr lebt Zoe aus dem Koffer. „Wenn sie kann, weicht sie aus und vermüllt ein anderes Zimmer“, stöhnt ihre Mutter. Nur im Chaos lebt das Genie. Das gilt offenbar nicht nur im Wildwasser. 

Zwei Sportarten auf höchstem Niveau, dazu das Abitur am Berufskolleg in Menden – es ist ein Tanz auf drei Hochzeiten. Nach dem Schlussabschluss möchte Zoe studieren. Vielleicht Journalismus, möglicherweise Psychologie, eventuell den Lehrerberuf ergreifen wie ihre Eltern. Auf jeden Fall will sie das Zeitmanagement in der Hand haben. Wer 30.000 Kilometer im Jahr für Wettkampfreisen zurücklegt, muss flexibel bleiben. Kanuwettkämpfe verschlingen oft eine komplette Woche. Montag oder Dienstag reist der Tross an. Bis zum Wettkampfbeginn am Wochenende wird unablässig trainiert. „Man hat sonst auf unbekannter Strecke keine Chance, um auf das gleiche Niveau zu kommen wie auf heimischer Strecke“, erklärt die Kanutin. Stabhochsprung-Meetings beschränken sich hingegen meist „nur“ auf die Wochenenden. 

Newcomerin des Jahres 2018 – Zoe Jakob mit FELIX-Award.

Kein „Entweder-oder“

„Ich kann mir momentan nicht vorstellen, eine der beiden Sportarten abzustoßen“, sagt Zoe. Sie weiß jedoch: „Der Druck, sich irgendwann zu entscheiden, wird nicht verschwinden.“ Wie weit sie gleichzeitig im Kanusport und in der Leichtathletik in die nationale und internationale Spitze vorstoßen wird, wagt niemand zu prophezeien. „Je mehr Zweifel andere säen, desto mehr zeige ich es ihnen“, sagt Zoe, die unbekümmerte junge Frau mit dem Frosch-Gen. 

„Je mehr Zweifel andere säen, desto mehr zeige ich es ihnen“,
Zoe Jakob, erfolgreiche Nachwuchsathletin in zwei Sportarten

Update:

Zoe Jakob aus Schwerte (*2. September 2000) startet für den KSV Schwerte und die LG Olympia Dortmund – im Kanuslalom (Kajak, Canadier). 2019 wurde sie Dritte bei den Deutschen U23-Meisterschaften im Stabhochsprung, 2018 Vizemeisterin U20. Hinzu kam Platz 13 bei der U20 WM. Im Kanuslalom erreichte Zoe 2017 den 2. Platz bei der Junioren-EM im Einzel C1 und gewann Gold bei der Junioren-WM mit der Mannschaft.  

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