Herausforderungen im Studium
„Es ist bildungsmäßig die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt Moritz über sein Master-Studium an der London School of Economics and Political Science (LSE): „Du wirst übel hart herausgefordert, bekommst von den Dozenten aber auch die maximale Beachtung. Ich verstehe, warum das eine der besten Unis der Welt ist.“ Die Aufnahmequote liegt bei knapp 6 Prozent, 85 Prozent der Studierenden kommen aus aller Welt, 40 Staatschefs und 19 Nobelpreisträger haben dort studiert, wo Moritz nun den Großteil seiner Zeit verbringt. Das hat seinen Preis: 40.000 Euro bezahlt er für Studium, Miete und Sonstiges.
Tunnelblick: Uni und Sport
Eine Sonderförderung der Sportstiftung NRW, die private Birgit-und-Thomas-Rabe-Stiftung und seine Familie unterstützen ihn. Moritz kann so sein Training neben dem Studium kontinuierlich fortsetzen. „Die ganze Aktion ist für mich ein großer Tunnelblick: Uni und Sport. So eine Chance kriegst du nie wieder“, sagt der Leichlinger. „Da unterrichten dich Leute, die die besten Lehrbücher schreiben und es ist ein Privileg, sich hier austauschen zu dürfen.“ Dafür gibt es eine Anwesenheitspflicht. „Wenn du ein- oder zweimal unentschuldigt fehlst, bist du weg“, erzählt Moritz. Dass er weiter Leistungssport machen kann, ist eher dem Zufall geschuldet „Ich wollte mich auf die Uni konzentrieren und habe immer gesagt: Ich bin glücklich und dankbar für alles, was im Sport möglich ist. Und dann hatte ich sehr viel Glück“, meint der 23-Jährige.
Kurz und knackig
Seine Trainingsgelegenheit fand er über Google Maps an der Central-Line-Haltestelle Mile End. Dort traf er Coach Chris Zah, in Großbritanniens Leichtathletikszene bekannt für 400-Meter-Läufer, die bei Olympia oder den Paralympics gestartet sind. Perfekt! „Hier kommen Siebenjährige aus den Docklands und 65-jährige Rentner. Wir sind eine riesige Gruppe.“ Zah hat Paraplegiker und Spastiker trainiert, kennt sich also aus, was es heißt, dass Moritz eine Hemiparese rechtsseitig hat: „Mit meiner Spastik ist es geiler, morgens nicht zu laufen. Deshalb habe ich um 16 Uhr Einzeltraining – viermal die Woche.“ Zahs Ansatz war ihm neu: „Wir trainieren megaanders. Kern-Essenz der Einheit ist es, kurz richtig zu laufen statt eine Stunde die Konzentration hochzuhalten“, erzählt Moritz.
Die richtigen Trainingsreize setzen
„Hier ist das Motto: Sei gesund, dann kannst du dich bewegen. Wenn eine Übung wegen der Spastik weh tut, lasse ich sie weg. Ich hatte drei Mal in meinem Leben einen Ermüdungsbruch, aber egal wie frustrierend das ist: Paris 2024 ist das Ziel.“ Moritz‘ Traum von den Paralympics kommt die neue Trainingsmentalität entgegen. „Nach fünf Wochen machen wir eine Woche Pause, dann kommst du frisch wieder. Mir bringt das megaviel.“ Ansonsten sieht der ganzheitliche Ansatz von Zah vor, dass viel geschlafen und auf die Ernährung geachtet werden soll: „Wenn ich eine Klausur habe, gibt es einen anderen Plan. Das Training ist so wettkampfnah, dass ich da nicht zu viel verliere, das ist stark.“
Der Blick nach vorne
Zur deutschen Meisterschaft 2022 wird Moritz nach Regensburg fliegen, um seinen deutschen Rekord über 400 Meter zu unterbieten. Wenn sein Master beendet ist, will er wieder beim TSV Bayer Leverkusen trainieren und in Köln promovieren. Am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung gibt es ein Unterinstitut, wo er ab Oktober arbeiten und forschen möchte. Die Zeit in London hat ihm wichtige Erkenntnisse verschafft: „Es ist ein Segen zu wissen: Mit dem Programm, das ich aktuell habe, kann ich mit meiner Spastik mit viermal Training gewisse Dinge erreichen und gesund arbeiten.“
Moritz Raykowski
Para Leichtathlet, Jg. 1999, aus Leverkusen
TSV Bayer 04 Leverkusen, Startklasse T 37
Erfolge:
2018 5. Platz EM 400m
2017 4. Platz Jun.-WM 800m
2016 Jun.-WM 2. Platz 100 m, 3. Platz 800m
2015 Jun.-WM 2. Platz 200m, 3. Platz 100m und 400m