Im Mai vor einem Jahr waren die Leichtathletin Delia Gaede und die Badmintonspielerin Finja Rosendahl bei den Deaflympics 2022 in Brasilien. Hier berichten die Gehörlosensportlerinnen von Highlights und Mankos.
Bleibt zu Hause und trainiert weiter. Kein Satz, den Sportler kurz vor großen Wettkämpfen lesen möchten. Ursprünglich für Dezember 2021 geplant, wurden die Weltspiele der Gehörlosen um Monate verschoben – wie so ziemlich alles während der Corona-Pandemie. Es blieb ihnen nichts weiter übrig, als dem knapp formulierten Rat auf der offiziellen Instagram-Seite der Deaflympics zu folgen.
Steiniger Weg nach Caxias do Sul
Nach langem Warten traten Leichtathletin Delia Gaede und Badmintonspielerin Finja Rosendahl im Mai endlich für Deutschland bei den 24. Deaflympics im brasilianischen Caxias do Sul an. Ihr Weg dahin? Alles andere als einfach. Das Covid-19-Virus bringt 2020 den Wettkampfbetrieb zunächst zum Erliegen. Alles ist ungewiss. 2021 ein Hoffnungsschimmer: In der Leichtathletik werden Wettkämpfe für Kaderathleten wieder erlaubt. Sprinterin Delia Gaede schafft so die Normzeit über 200 Meter für die Weltmeisterschaft in Polen. Die WM-Teilnahme ist die ausschlaggebende Empfehlung für die Deaflympics. Die 23-jährige Kölnerin löst ihr Ticket für Brasilien.
Die Freiluftsaison der Leichtathleten beginnt normalerweise erst im Mai. Die Verschiebung der Deaflympics forderte Delia heraus. Schon zu Beginn der Saison muss sie auf dem Leistungshöhepunkt stehen. Wettkämpfe zur Vorbereitung – Fehlanzeige. „Zum Glück konnte ich trotz Corona allein trainieren“, sagt sie. Kaderathleten standen die Trainingsstätten offen.
Schläger statt Stift
Für Badmintonspielerin Finja Rosendahl brachte der veränderte Zeitplan eine große Entscheidung mit sich. Im Mai beginnt in NRW der Endspurt für alle Abiturienten. „Die Abiturklausuren und sogar die Nachschreibetermine sollten zeitgleich mit den Deaflympics stattfinden“, erzählt Finja. „Für mich war klar, dass ich an den Deaflympics teilnehme.“ Sie schreibt noch die Vorabi-Klausuren und tauscht dann Stift gegen Schläger. „Mein Abitur mache ich einfach ein Jahr später“, beschließt sie. Dadurch kann sie zweimal täglich trainieren.
Ihr Stützpunkt in Mülheim an der Ruhr ist nah und während der Pandemie für sie zugänglich. Wettkampfpraxis bekommt Finja im Verein, sie spielt in der Oberliga der hörenden Spieler. Das letzte große Turnier im Gehörlosensport liegt hingegen Jahre lange zurück. 2019 wird Finja Vize-Juniorenweltmeisterin.
Hohe Erwartungen
Als das Flugzeug nach Brasilien abhebt, sind beide NRW-Athletinnen hoffnungsfroh. „Ich hatte an mich, aber auch an die Veranstalter höhere Erwartungen“, erinnert sich Delia. „Mit sechs Monaten zusätzlicher Planungszeit hatte ich gehofft, dass die Dinge, die vielleicht sonst auf den letzten Metern liegen geblieben wären, besser organisiert werden.“
Finjas Hotel liegt ein Stück außerhalb von Caxias do Sul: „Es war sehr schön, aber ich war auch froh, nach 24 Stunden Anreise endlich angekommen zu sein“, erzählt sie. Für den Wettkampf gilt es Kraft zu tanken. „Egal gegen wen ich spielen muss, ich möchte viele Erfahrungen sammeln und ein Land bereisen, von dem ich noch gar keine Vorstellungen habe.“ Lachend fügt sie hinzu: „Ein bisschen Glück mit der Auslosung braucht man. Die Asiaten spielen sehr, sehr stark.“
Das Klima ist gewöhnungsbedürftig. Im Mai ist Brasilien vor allem eines: feucht. „Sogar die Betten haben sich in der ersten Nacht feucht angefühlt“, sagt Finja. Auch in der neuen Badmintonhalle herrscht getrübte Stimmung. Durch den anhaltenden Regen hat sie sich stark abgekühlt. Die Sportler in ihren kurzen Sommeroutfits müssen sich ordentlich warmspielen.
Kein olympischer Standard
Die Leichtathleten hadern mit ihrer Wettkampfstätte. In Erinnerung war das neue Stadion der vergangenen Deaflympics in der Türkei. Dagegen stellt das brasilianische Stadion eine herbe Enttäuschung dar. „Es sah aus wie ein altes Schulstadion“, kritisiert Delia. „Es entsprach nicht den olympischen Standards. Viele Kleinigkeiten, die eigentlich selbstverständlich sind, gab es nicht.“ Beispielsweise lag die Tribüne gegenüber der Zielgeraden. „Normalerweise motivieren mich die Zuschauer auf den letzten Metern, noch einmal alle Kraft einzusetzen. Das hat mir gefehlt.“ Im Ziel fehlen Tafeln, um den Wettkämpfern die gelaufenen Zeiten anzuzeigen. Delia wartet bis zu drei Stunden auf ihre Ergebnisse. Auch das Training ist herausfordernd. Nur das Wettkampfstadion verfügt über eine Tartanbahn.
Wertvolle Erinnerungen
Besondere Erinnerung haben Finja und Delia an das Athletendorf. „Noch nie zuvor war ich an einem Ort mit so vielen Sportlern aus so vielen verschiedenen Ländern“, schwärmt Finja. Im Deutschen Sport & Olympiamuseum Köln kommt es zum Wiedersehen mit allen Deaflympics-Teilnehmer aus NordrheinWestfalen. Die Sportstiftung NRW hat zur Feierstunde eingeladen. Erstmalig werden gehörlose Athletinnen und Athleten für ihre Leistungen mit einer Teilnahmeprämie gewürdigt